Bambuszahnbürste vs. Buchenholz-Zahnbürste – was ist nachhaltiger?

Will man nachhaltig leben, ist es manchmal echt schwierig, sich für ein Produkt zu entscheiden. Ein gutes Beispiel dafür sind Handzahnbürsten. Was ist eigentlich nachhaltiger: die Bambuszahnbürste aus China oder die Buchenholz-Zahnbürste aus Deutschland? Aus meiner Sicht gibt es drei Einflussfaktoren: Wachstum des Ausgangsmaterials, Produktion und der Transport.

Achtung! In diesem Artikel wird es etwas nerdig. Denn meist habe ich nur Infos gefunden wie Bambus wächst schnell und ist deshalb ideal. Ich wollte es jedoch genau wissen und habe beide Hölzer mal genau verglichen. Ich betrachte hier übrigens nur Buchenholz-Zahnbürsten, denn ich konnte keine anderen Zahnbürsten aus einheimischen Hölzern finden.

Wachstum

Sowohl die Bambuszahnbürste als auch die Buchenholz-Zahnbürste bestehen aus Holz und sind damit bereits nachhaltiger als Zahnbürsten aus Kunststoff. Denn Holz wächst immer wieder nach und am Ende seiner Nutzung verrottet Holz einfach und wird als Erde wieder zu einem Nährstoff. Das gilt sowohl für Buche als auch für Bambus. Ein großer Unterschied zwischen Buche und Bambus besteht jedoch in ihrer Wachstumsgeschwindigkeit und nach welcher Zeit geerntet werden kann.

Buche

In Europa heimisch ist die Rotbuche. Sie ist ein eher langsam wachsender Baum mit recht hartem Holz.

Die Buche braucht durchschnittlich 140 Jahre bevor sie geschlagen werden kann. Dann ist sie in etwa 35 m hoch und 74 cm im Durchmesser. Damit hat sie beim Schlagen ein Volumen von ca. 15 m3, was einem Holzzuwachs von = 0,1 m3 pro Jahr entspricht.

Auf einem ha stehen ungefähr 150 erwachsene Buchen. Bei einer Umschlagszeit von 140 Jahren kann pro Jahr 1 Baum gefällt werden. Das sind dann 0,1 m3 Holz pro Jahr pro ha.

Bambus

Bambus ist kein Baum sondern verholztes Gras. Deshalb kann Bambus auch so schnell wachsen. Die häufigste Sorte für den kommerziellen Anbau ist der Phyllostachys edulis auch Moso Bambus genannt.

Eine Phyllostachys edulis Pflanze wird durchschnittlich 50 Jahre alt. Dann blüht sie und stirbt. In den ersten Jahren sind die Halme noch recht dünn. Erst die Halme, die im dritten Jahr aus der Erde kommen, sind dick genug für eine kommerzielle Verwendung. Ein Bambushalm wächst innerhalb eines Jahres zu seiner vollen Höhe, verholzt in den folgenden Jahren und wird nach durchschnittlich 7 Jahren geerntet. Dieser ist dann ca. 18m hoch, hat einen Durchmesser von 11 cm bei einer Wanddicke von 1 cm. Damit hat ein Halm beim Ernten ein Volumen von 0,05m3.

Auf einem ha stehen ungefähr 4000 Halme und jedes Jahr können dann bis zur Blüte durchschnittlich 180 Halme geerntet werden. Damit bringt ein Phyllostachys edulis innerhalb von 50 Jahren (10 Jahre Aufbau + 40 Jahre Ernte) 180 Halme x 40 Jahre x 0,05 m3 = 360 m3 / 50 Jahre = 7,2 m3 Holz pro Jahr pro ha.

Auf der gleichen Fläche wächst also 72 Mal mehr Bambusholz als Buchenholz. Damit brauchen wir für eine Bambuszahnbürste weniger bewirtschaftete Fläche als für eine Buchenholz-Zahnbürste, was gut ist. Denn so steht mehr Fläche entweder für Tiere oder auch für die Landwirtschaft zur Verfügung.

Da in beiden Fällen Zahnbürsten daraus entstehen, ist die CO2 Einlagerung nicht relevant. Denn beim Verrotten setzt sich das CO2 wieder frei. Die Einlagerung wäre vor allem bei langlebigen Produkten relevant.

Produktion

Die Produktion einer Buchenholz-Zahnbürste und einer Bambuszahnbürste ist technisch sehr ähnlich und kommt ohne viel Wasser oder Chemikalien aus. Deshalb kommt es in Bezug auf die Nachhaltigkeit eher darauf an, dass ein Unternehmen zum Beispiel mit Ökostrom arbeitet und gute Arbeitsbedingungen schafft.

Geht man vom Durchschnittlichen Energiemix aus, nehmen sich die EU-28 und China übrigens nichts. Auch wenn China der Großteil der Energie durch Kohle erzeugt, setzen die EU Länder mehr auf Öl, Gas und Kernenergie. Bei den erneuerbaren Energien sind sowohl die EU (2,9%) als auch China (2,0%) noch weit hinter dem, was unsere Erde bräuchte.

Produktion einer Buchenholz-Zahnbürste

In Deutschland erhältliche Buchenholz-Zahnbürsten werden meist in Europa gefertigt. Diese fertigen zum Beispiel Redecker in Norddeutschland, Bürstenmann im Erzgebirge, Comme Avant in französischen Eingliederungswerkstätten oder Liebwerk in der Schweiz. Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Anbieter. In Europa ist der Arbeitsstandard im Allgemeinen sehr gut. Auch ist allen diesen Unternehmen Nachhaltigkeit sehr wichtig, so dass ich davon ausgehe, dass sie nicht nur das gesetzliche Minimum umsetzen, sondern tatsächlich ihren Mitarbeitern mit Respekt begegnen. Interessant ist übrigens, dass sich zwar alle vier Hersteller zur Nachhaltigkeit bekennen. Keines gibt jedoch an, dass ihre Produktion zum Beispiel mit Ökostrom betrieben wird.

Produktion einer Bambuszahnbürste

Bambuszahnbürsten hingegen werden überwiegend in China produziert – eben da, wo der Bambus herkommt. China ist ein großes Land der Gegensätze. Man sagt, dass sowohl die saubersten als auch die schmutzigsten Fabriken in China stehen. Gleichzeitig ist China nicht als besonders arbeitnehmerfreundliches Land bekannt – immerhin lassen hier viele Unternehmen produzieren, weil die Arbeitskraft so günstig ist. Auch bei den ILO Normen hat China nicht alle ratifiziert (zum Beispiel nicht die Norm gegen Zwangsarbeit und auch nicht die Normen rund um die Gewerkschaften).

Zum Schluss kann man von außen nicht wirklich sagen, wie nachhaltig die Produktion ist. Es gibt jedoch die Möglichkeit, externe Institute mit Umweltaudits oder Sozialaudits zu beauftragen.

Zum Beispiel hat sich unser Lieferant vom TÜV Nord entsprechend amfori BSCI Standards prüfen lassen. Das sind Sozialstandards. Die BSCI Standards enthalten viele Elemente, die für uns selbstverständlich erscheinen. Diese sind selbst im chinesischen Recht verankert sind, werden jedoch nicht immer eingehalten wie z.B. Verbot von Kinderarbeit, faire Bezahlung, faire Arbeitszeiten, Einhalten von Arbeitssicherheitsmaßnahmen sowie Sozialversicherung etc. Es gibt übrigens auch einen Punkt Anti-Diskriminierung, um sicherzustellen, dass ein Unternehmen niemanden basierend auf seinem Geschlecht, seines Alters, seiner Herkunft, seiner sexuellen Orientierung und vieler weiterer Punkte diskriminiert. Einerseits sprechen die Prüfer mit den Arbeitern und andererseits checken sie auch Gehaltsreports. Was soll ich sagen: da ist unser Lieferant weiter als viele andere westliche Unternehmen zumindest, was die gleiche Bezahlung unabhängig vom Geschlecht angeht (andere Diskriminierungsmerkmale sind nicht so offensichtlich und deshalb auch im Prüfbericht nicht erwähnt).

Transport

Bevor ich mich ernsthaft mit dem Thema Buchenholz-Zahnbürste aus Deutschland vs. Bambuszahnbürste aus China beschäftigt habe, war für mich klar, dass es total sinnlos ist, ein Alltagsprodukt, welches nur 2-3 Monat hält, einmal komplett um den Globus zu transportieren. Solche Produkte sollten auf jeden Fall regional hergestellt werden – so dachte ich.

Da ich mich jedoch nicht einfach auf mein Bauchgefühl verlassen möchte, habe ich überlegt, wie ich mich dem Thema analytisch nähern kann. Die größten Probleme beim Transport sind der Treibstoff und die damit verbundenen Emissionen.

Es gibt drei Möglichkeiten, um Produkte von China nach Europa zu transportieren: Flugzeug, Schiff und Bahn/LKW. Für den Energiebedarf und dessen Emissionen sind bei Luftfracht & Transport auf der Straße vor allem Gewicht relevant während bei Schiffsfracht vor allem Volumen relevant ist.

Im Internet gibt es CO2-Rechner für den Transport via Luftfracht und Schiffsfracht. Geht man von 70% Auslastung und 15% Aufschlag wegen wetterbedingter Routenänderungen aus, komme ich auf folgende Werte: Für 4 Zahnbürsten im Jahr (ca. 40 g & 44 cm3 je Zahnbürste) werden beim Transport von China nach DE ca. 920g (Luftfracht) bzw. 2,8g (Schifffahrt) CO2 ausgestoßen. Das klingt insbesondere für den Schiffsverkehr gar nicht so schlimm. Immerhin wird für unser Leben in Deutschland pro Person durchschnittlich mehr als 11 Tonnen CO2 ausgestoßen – da machen die 2,8g auch nicht so viel aus.

Allerdings ist der Schiffsverkehr mitnichten sauber, denn das Problem ist gar nicht das CO2, sondern andere Emissionen wie Stickoxid, Schwefeloxid und Ruß. Denn die meisten Schiffe fahren mit Schweröl, welches ein Kraftstoff von niedrigerer Qualität ist. Doch es tut sich auch etwas im Schiffsverkehr. In 2020 trat ein neuer Grenzwert für den Grenzwert von Schwefel in Kraft – so darf seitdem nur noch 0,5% Schwefel im Öl enthalten sein im Gegensatz zu 3,5% zuvor. Damit reduzieren sich auch die Emissionen von Schwefeloxid um 85%. Dies können die Logistikunternehmen eigentlich nur leisten indem sie von Schweröl auf Schiffsdiesel umsteigen. Immer noch nicht gut, aber ein Fortschritt. Übrigens, zum Vergleich: Autodiesel muss „Schwefelfrei“ sein. Es ist ein Anteil von 0,0001% erlaubt.

Eine weitere Entwicklung sind Containerschiffe, die mit flüssigem Erdgas betrieben werden. Zwar ist Erdgas immer noch ein fossiler Brennstoff, der nicht nachwächst. Doch reduziert sich dadurch der CO2-Ausstoß noch einmal um 20% und vor allem der Ausstoß an Stickoxid um 85% und der an Schwefeloxid um 99%. Und die Rußpartikel fallen auch weg. Transportiert man die Zahnbürste mit so einem Erdgas betriebenen Schiff, ist der Einfluss des Transports recht gering. Dies liegt vor allem daran, dass Zahnbürsten klein und leicht sind.

Für die Buchenholz-Zahnbürste fällt dieser Transport natürlich nicht an, denn die Bäume wachsen in Europa und werden auch hier verarbeitet. Damit fällt nur noch der Transport vom Hersteller zum Händler und dann von diesem zum Kunden nach Hause an. Dies ist jedoch für beide Zahnbürsten gleich, denn auch die Bambuszahnbürste kommen erst vom Hafen zum Händler und dann von diesem zum Kunden nach Hause.

Fazit

Es ist nicht einfach, die Frage zu beantworten, ob die Bambuszahnbürste aus China oder die Buchenholz-Zahnbürste aus Deutschland nachhaltiger ist. Geht man einfach vom Ausgangsmaterial aus, ist es definitiv sinnvoller eine Bambuszahnbürste zu nutzen. Viele Faktoren in der Nachhaltigkeitsbetrachtung hängen jedoch weder vom Ausgangsmaterial noch vom Produktionsstandort ab, sondern sind spezifisch für einen Anbieter.

Was bedeutet das für uns als Konsumenten? Man kommt wahrscheinlich nicht drumherum, einmal die Texte der Anbieter genau zu lesen und nach den relevanten Stichpunkten im Angebotstext zu suchen:

  • Ist das Holz FSC zertifiziert?
  • Arbeitet der Produzent entsprechend international gültiger Arbeitsstandards (z.B. ILO, amfori BSCI)
  • Nutzt der Hersteller Ökostrom?
  • Wird die Zahnbürste via Bahn oder Schiff transportiert?
  • Wenn via Schiff, wird das Schiff mit Schweröl (schlecht), Schiffsdiesel (besser) oder LNG (am besten) betrieben?

Wahrscheinlich wird nicht jeder Anbieter alles aufführen. Lasst Euch dann einfach von Eurem Gefühl leiten – welcher Anbieter scheint den besten Fußabdruck zu haben.

Basierend auf dieser Recherche habe ich mich entschieden, eine Bambuszahnbürste in den Shop aufzunehmen. Das ist der erste Schritt, wie ich meine Nachhaltigkeitsziele erreichen möchte.